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Diebeszeit Kapitel 1

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Smaraktwolf's avatar
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Diebeszeit
Kapitel 1: Hexenkind

Der Weg von der Quelle zur Höhle war weit und unwegsam. Dies war einer der Gründe, warum Giallever immer so viele Eimer auf einmal schleppte. An  einem langen festen Stab aufgereiht, den das Mädchen über den Schultern trug, schlugen auf jeder Seite drei große Holzeimer gegen einander und verspritzen mit jedem Schritt etwas ihres kostbaren Inhaltes. Sie stapfte weiter und seufzte erleichtert als sie endlich die letzten Stufen der in die Klippe gehauenen Treppe nahm. Sie ging den schmalen Sandstreifen zwischen Land und Meer bis zu der vorgelagerten Felsnadel, welche sie und ihre Mutter bewohnten. Zum ihrem Glück hatte die Flut noch nicht eingesetzt und sie musste so nur durch kniehohes Meerwasser waten.
Als sie den Steinstrand um die Felsnadel betrat hob Giallever ihren Kopf und fluchte leise. Ihre Mutter hatte die Strickleiter, welche zu dem auf zehn Meter hoch gelegenen Eingang führte, wieder hochgezogen. Sie stellte vorsichtig die Eimer ab und rief hinauf. „MUTTER! Ich bin zurück! Lass die Strickleiter wieder runter!“ Sie wartete einige Zeit, während sie sich streckte und ihre schmerzenden Schultern rieb. Als sie auch nach mehrfachen rufen keine Antwort erhielt fluchte sie noch einmal. Dann befestigte sie zwei der Eimer wieder an dem Stab und schulterte diesen. Sie zog die Schultern hoch und versuchte so den Stock fest zu halten. Dann begann sie zum Eingang hoch zu klettern. Da Giallever das selbst mit dieser Last schon oft getan hatte, kam sie schnell oben an. Ehe sie noch mehr verschüttete stellte sie die Eimer auf die schmale Schwelle vor der dicken Holztür die ihre Behausung vor den Winterstürmen schütze. Gill warf die säuberlich zusammengerollte Strickleiter wieder nach unten. Dies würde den nächsten Aufstieg um einiges einfacher machen. Als sie zur Tür blickte, stellte sie fest, dass diese angelehnt war. Normalerweise öffnete ihre Mutter die Tür ganz oder verschloss sie ganz. Giallever drückte die Tür vorsichtig auf und rief leise. „Mutter. Ich bin vom Wasser holen zurück.“
Sie wäre beinahe wieder aus der Türschwelle und in den Abgrund gesprungen, als sie all die Leute in dem kleinen Behandlungszimmer ihrer Mutter sah. Normalerweise kamen nur der Patient oder vielleicht noch ein Vertrauter zu der Heilerin. Doch das war eine ganze Familie. Vielleicht sogar eine Reisegesellschaft. Einige wanden sich nun zu Giallever und eine alte Frau schrie entsetzt auf. Giallevers Mutter sah ebenfalls auf und wurde kurz blass. Dann jedoch fauchte sie angespannt. „Was hast du so lange braucht? Ich brauche das Wasser dringend für einen Patienten!“ Giallever konnte ihrer Stimme eine ganze Bandbreite von Emotionen entnehmen. Einerseits Wut und Anklage darüber, dass sie nicht normal aussah. Vor allen vor all den Leuten. Zum anderen musste es dem Patienten wirklich schlecht gehen. Giallever senkte ihren Kopf und nahm die Eimer. „Vergib mir“, murmelte sie und drückte sich durch die verängstigt ausweichenden Menschen. Sie stellte vorsichtig das Wasser neben dem Krankenlager ab und warf einen Blick darauf.
Es war ein kleiner Junge. Vielleicht zehn Jahre alt. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und seine Hände krallten sich in die Decke. Der untere Teil seine Körpers lag frei und enthüllte seine Beine, welche blutig und verdreht auf dem Laken lagen. Giallever schluckte leicht. Sie konnte das Weiß von Knochen aus der blutigen Masse spitzen sehen. Die Menschen um sie herum starrten nun alle Giallever an. Ihre Mutter gab dem Mädchen einen festen Stoß. „Hol mehr Wasser! Sofort!“ Giallever nickt und lief so schnell sie konnte los. Sie wusste, dass ihre Mutter sie einfach nur weg haben wollte. So schnell sie konnte trug sie das restliche Wasser in den Raum und lief dann zurück zur Quelle um mehr zu holen.
Als Giallever nach über einer Stunde die Eimer wieder zu den Klippen schleppte, erwartete ihre Mutter sie am Absatz der Treppe. Sie ließ das Mädchen die Eimer abstellen. Dann packte sie sie am Kragen. „Was-fällt-dir-ein!“, fauchte die Frau laut und schüttelte das sie leicht. „Dich so vor Menschen zu zeigen!“ Giallever keuchte und kniff die Augen zusammen. Als könnte sie so ihrer Mutter Zorn entkommen. „Ich.. ich musste hochklettern. Weil die Leiter weg war…“, stotterte sie, auch wenn sie wusste das diese Antwort niemanden zufriedenstellen würde. Ihre Mutter stieß sie so heftig von sich, das Giallever hinfiel. Die Frau ballte ihre wütend zitternden Hände zu Fäusten. „Das ist keine Entschuldigung! Ich habe dir tausendmal gesagt niemals. NIEMALS! So herum zu laufen! Und du ignorierst es aus Faulheit!“ Giallever wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. „Aber… Mutter… mit Menschenhänden kannst du nicht klettern… Außerdem wusste ich ja nicht das jemand da ist…“ Ihre Mutter starrte sie wütend an. „Ausreden!“ Giallever konnte sehen wie ihre Mutter mit den Händen rang um Worte zu finden. „Ich habe dir verboten dich in deiner wahren Form blicken zu lassen! Es ist zu deiner eigenen Sicherheit! Warum denkst du habe ich dir beigebracht deine Gestalt zu ändern?“ Sie machte eine rhetorische Pause, sprach aber weiter als das Mädchen den Mund öffnete um zu antworten. „Weil deine abscheuliche Gestalt nur Hass und Abscheu erweckt! Du bringst uns beide in Gefahr wenn du so herum rennst!“ Die Frau keuchte wütend und das Mädchen senkte den Kopf. „Es.. tut mir leid Mutter.“ „Das macht all das auch nicht ungeschehen!“, fauchte ihre Mutter und nahm zwei der Eimer. „Das wird ein Nachspiel haben, Fräulein!“ noch  immer kochend vor Wut stapfte sie die schmale Treppe hinab. Giallever folgte ihr mit den restlichen Eimern wie ein geprügeltes Hündchen.
„Hat... hat der Junge es geschafft?“ fragte Giallever als sie unten waren um die Stille zu brechen. Ihre Mutter warf ihr einen gereizten und müden Blick zu. „Er wird leben“, bemerkte sie kurz angebunden. Giallever sah sie mit großen Augen an. „Hast du seine Beine richten können?“, fragte sie stockend. „DAS habe ich nicht gesagt“, fauchte ihre Mutter, „er wird leben, aber er wird nicht mehr herum rennen. Und seine Eltern werden mich sicher nicht als die Person in Erinnerung behalten, die das Leben ihres Kindes rettete. Sondern als die Hexe mit dem Monster welche ihrem Kind die Beine abgenommen hat!“ Giallever zog den Kopf ein, während ihre Mutter ihre Frustration an ihr aus lies.
„Aber… dafür kann ich doch nichts… du bist die beste Heilerin der Gegend. Ohne dich wäre der kleine sicher nicht mehr…“ Ihre Mutter schnitt sie mit bitterer Stimme ab. „Menschen erinnern sich nur an das schlechte. ALLE Wesen tuen das. Merk dir das, Giallever.“ Damit war das Gespräch beendet und die beiden sprachen für den Rest des Tages kein Wort mehr.
Da ist es nun endlich - das erste Kapitel meines Fantasy Mehrteilers Diebeszeit.

Kapitel 2: fav.me/d9t72n6
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Comments6
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schwarzeMoewe's avatar
Wow, das war eine saubere Wende! Ich hab am Anfang noch gedacht, dass es ein wenig unrealistisch ist, wenn ein einziges Mädchen mehr als zwei Eimer von der Quelle nach Hause trägt -- insbesondere, wenn es so weit ist -- und dann auch noch dazukam, dass eben jenes Mädchen mit zwei der Eimer eine Felswand hochklettert. Als du dann aber aufgelöst hast, woran das liegt, ohne es einem direkt ins Gesicht zu drücken und auch ohne es direkt zu beschreiben, war ich überrascht. Ein gutes Ende mit wahren Worten. Ich hoffe, die beiden werden keine allzu großen Schwierigkeiten bekommen. Andererseits wäre dann wahrscheinlich kein Platz für eine gute Geschichte. Ich hoffe jedenfalls, es kommt bald ein zweiter Teil, denn der erste hier ist ja schon so lange her! :)